8 Möglichkeiten für ein tolles Portrait

Man kennt das ja: Man zeichnet zwar fleißig Portraits, stagniert aber nach und nach und findet keine Möglichkeit mehr, seine Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Das ist eine ziemlich traurige Angelegenheit in meinen Augen, denn gerade als (Hobby-) Künstler gehört man ja zu den Menschen, die persönlich weiterkommen wollen.

Aus gerade diesem Grund habe ich das folgende Video gedreht. Es soll eine Inspiration liefern, auf wie viele verschiedene Weisen man ein tolles, ausdrucksstarkes Bild zeichnen kann, welche Materialen einem noch zur Verfügung stehen und wie man so seine Fähigkeiten erweitern kann, indem man sich über das normale Prozedere beim Portraitieren erhebt.

Ich wünsche viel Spaß beim Zuschauen und hoffentlich auch beim Ausprobieren!

If you are interested in the english version of this have a look on squidoo.com: Be Inspired: 8 Drawing Techniques To Broaden Your Portraying Skills

1. Das Kohle-Portrait

Zuerst habe ich mir Kohle vorgenommen, was für mich persönlich das häufigste Medium ist, das ich zum portraitieren verwende. Mit Skizze hat das Zeichnen um die zwei Stunden gedauert.

Vorteile:

  • Kohle verzeiht einem Fehler sehr leicht, was sie zu einem tollen Medium für Anfänger macht.
  • Man kann die Höhen und Tiefen des Gesichts wunderbar modellieren, indem man mit einem Wischer und einem Knetradiergummi arbeitet.
  • Es ist eine kostengünstige Methode, die nicht viel Zeit in Anspruch nimmt und leicht erlernt werden kann.
  • Kohle ist wesentlich “schwärzer” als Graphit, weil die Kohle das Licht förmlich einsaugt anstatt es zu reflektieren. Dadurch wirken Kohlebilder meist sehr ausdrucksstark und sind tolle Blickfänger.

Nachteile:

  • Passt man mit seinen Händen nicht auf, kann es vorkommen, dass man die Kohle böse verschmiert und so das Bild irreparabel versaut.
  • Schlechte Kohle bröckelt leicht, lässt sich nur schwer spitzen und hat einen ungleichmäßigen Abrieb, der sie oft unberechenbar macht.
  • Schlechte Reißkohle ist unpräzise, da sie sich nicht gut spitzen lässt.
  • Schwarz/Weiß ist manchen einfach zu langweilig.

Was man davon lernen kann:

Kohle lehrt einem wie kein zweites Medium die weichen Übergänge zwischen Licht und Schatten und lässt so lebensnahe Schattierungen entstehen. Insbesondere beim Arbeiten mit einem Fensterleder kann man so ein gutes Gefühl dafür bekommen und einen Einstieg in das fotorealistische Zeichnen wagen.

Equipment:

  • Schwarzkreidemine (Cretacolor, B) in Minenhalter Hardtmuth (Koh-I-Noor)
  • Knetradiergummi (Cretacolor)
  • Fensterleder (unbehandelt, DM-Marke)
  • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No2)

2. Das Aquarell-Portrait

Das Aquarell-Portrait wird immer so dargestellt, als sei vom Können her ein voll ausgearbeitetes Öl-Gemälde ein Witz gegen ein gelungenes Aquarell. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das so nicht stimmt. Nachdem ich mich nämlich Jahre lang davor gedrückt hatte, Aquarellfarben auch nur anzuschauen, dachte ich mir: “Probier’s doch mal.” Und siehe da, es war gar nicht so schwer und hat auch gar nicht weh getan.

Das, was ein Aquarell letztendlich so “schwer” macht, ist das Skizzieren mit den flüssigen Farben, das ist nämlich tatsächlich sehr schwer. Allerdings kann man ja auch mit “festen” Materialien skizzieren und dann ist es plötzlich nur noch halb so wild. Ich verwende für diesen Zweck beispielsweise einen wasserlöslichen Buntstift, der farblich passt und so unauffällig in die Farben mit “einfließt”.

Mit Skizze habe ich 2,5 Stunden für dieses Portrait gebraucht.

Vorteile:

  • Sehr lebendiges Erscheinungsbild. Selbst, wenn das Bild nicht gelingt, hat es immer noch Leben, da die Farben zu einem gewissen Grad nicht kontrollierbar sind.
  • Farbenfroh und/oder atmosphärisch; die Farben lassen zu, dass man das Motiv mit einer zusätzlichen Bedeutung belegt.
  • Hat es was meditatives, da das Wasser so beruhigend wirkt. Auf mich jedenfalls… ;-)
  • Selbst, wenn es nichts wird – der Umgang mit Aquarellfarben macht einfach SPAß!

Nachteile:

  • Nichts für Kontrollfreaks (obwohl gerade denen ein Aquarellchen gut tun würde (Panta Rhei…))
  • Nur zum Ausprobieren ist ein eigener Aquarellkasten vielleicht etwas zu teuer – aber jeder hat einen Wasserfarbkasten zuhause, und der bietet auch schon einen guten Einstieg.
  • Das Skizzieren mit den flüssigen Farben ist sehr schwer, das Skizzieren mit einem normalen wasserlöslichen Buntstift jedoch nicht.
  • Die Farbwahl sollte man vorher treffen oder ein unschlagbares Farbgefühl haben. Da mit das Zweite fehlt, bin ich auf das erste angewiesen.

Was man davon lernen kann:
Panta Rhei – Alles fließt. Eine unverkrampfte Herangehensweise an das Portraitieren und SPAß an der Arbeit lehrt das Aquarell allemal. Für mich bedeutet das Aquarell jedes Mal aufs Neue, mich mit meinem vermeintlichen Nemesis, der Farbe, auseinander zu setzen (das kommt von jahrelangem monochromen Arbeiten).

Von einem Aquarell habe ich tatsächlich mehr gelernt als aus einem hochqualitativen Lehrbuch. Wirklich erstaunlich und sehr zu empfehlen!

Equipment:

  • Aquarellfarben (No Name, Aldi)
  • Aquarellpapier (Gerstaecker Block)
  • Pinsel (Da Vinci Kunsthaar-Pinsel)
  • Servietten
  • Wasserlöslicher Buntstift (Pelikan)

3. Dry-Brush

Letztes Jahr um diese Zeit bin ich mit meinem Liebsten durch die Kölner Innenstadt gelaufen und bin dort einem grandiosen russischen Portraitzeichner begegnet, der unheimlich ausdrucksstarke Zeichnungen anfertigte. Er griff dabei nicht auf die üblichen Materialien wie Kohle und Bleistift zurück, sondern arbeitete mit einem Pinsel und schwarzen Ölfarben.

Diese Technik ist noch ein richtiges Highlight in Deutschland, weil sie kaum bekannt ist. In den osteuropäischen Ländern hingegen erlebt sie einen richtigen Boom, weil Dry-Brush in punkto Ausdrucksstärke schlicht einzigartig ist.

Dieses Portrait hat fast 3 Stunden in Anspruch genommen.

Vorteile

  • Sehr präzise, selbst kleinste Härchen können aufgepinselt werden. Nur Airbrush ist präziser.
  • Sehr ausdrucksstark, zieht Blicke magnetisch an.
  • Ungewöhnliche Technik. Etwas ganz anderes.
  • Modellierbare Höhen und Tiefen durch Knetradiergummi.
  • Dadurch dass man mit dem Pinsel sachte die Farbe aufstreicht, sind weichere Übergänge sind kaum möglich.

Nachteile:

  • Besitzt man nicht zufällig ein paar Ölfarben, muss man sich das komplette Equipment neu zulegen.
  • Recht zeitaufwändig im Vergleich mit Kohle.
  • Geruchsempfindliche Menschen könnte sich gestört fühlen (Für eine gute Lüftung sollte man aber auch als Normalmensch sorgen!).
  • Braucht einige Übungsanläufe, bis man den Dreh raus hat und es gibt wirklich keine Online-Referenzen, die einem beibringen könnten, wie es geht. Man sollte also starke autodidaktische Züge mitbringen.
  • Öl “verzeiht” nicht so leicht wie Kohle. Macht man einen Fleck, kann man den mit einem Knetradiergummi zwar abmildern, aber nicht beseitigen.
  • Was man davon lernen kann:

    Dry-Brush ist eine einzigartige Technik, die einem eine völlig neue Herangehensweise an das Zeichnen liefert. Dadurch, dass man mit einem Pinsel arbeitet, distanziert man sich vollkommen von Schraffuren und allen Arten von Schattierungen, die keine graduellen sind. Dry-Brush ist ausgezeichnet geeignet, um fotorealistische Bilder zu zeichnen, da man auch nicht auf das monochrome Arbeiten angewiesen ist, sondern nach Belieben auch andere Farben einbringen kann.

    Equipment:

    • Sehr gute Borstenpinsel in verschiedenen Stärken (da Vinci)
    • Ein feiner Kunsthaarpinsel (da Vinci)
    • Robustes Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No 2)
    • Knetradiergummi (Cretacolor)
    • Ölfarbe, schwarz (Lucas)
    • Leinmittel, gebleicht (Lucas)
    • Terpentinersatz zum Reinigen der Pinsel (Lucas)

    4. Tuschezeichnung mit Schraffuren

    Tusche ist in den letzten Monaten immer mehr zu dem Medium meiner Wahl geworden, nachdem ich die Schönheit der klaren Linien lieben gelernt habe. Insbesondere Tierzeichnungen sind unheimlich schön anzusehen, wenn man sie mit dieser kompromisslosen schwarzen Flüssigkeit zeichnet.

    Dieses Portrait hat beinahe ganz genau eine Stunde gebraucht, bis es fertig gezeichnet war. Hier fehlt selbstverständlich ein Hintergrund, weshalb man dafür vielleicht noch 30 Extra-Minuten einplanen sollte.

    Vorteile:

    • Schöne klare Linien und somit ein hoher Kontrast und eine hohe Erkennbarkeit.
    • Wenig Zeitaufwändig und unkompliziert.
    • Interessanter Sachbuch-Look, der trotz des “gewöhnlichen” Mediums ungewöhnlich ist.
    • Kostengünstige Materialen, die nur wenig Verschleißerscheinungen haben.

    Nachteile:

    • Tusche verzeiht einem keine Fehler. Kleckst man aufs Bild, ist es versaut. Oder ein Kunstwerk…
    • Die analytische Herangehensweise sorgt bei vielen für eine gewisse Verwirrung und Abneigung.

    Was man davon lernen kann:

    Diese oft so sehr verhasste Schraffur kann einem in Wirklichkeit einiges beibringen, denn wie keine andere Technik bringt sie einem nicht nur bei, wo es hell und dunkel ist (das kann ja jeder Computer), sondern wie die Rundungen des Gesichts sind und wo daher die Höhen und Tiefen allein aus Logik hinmüssen. Außerdem kann man sehr interessante Texturen mit Tusche und Feder erzeugen, die einfach nur Spaß machen.

    Equipment:

    • Zeichenfeder (Rheita)
    • Zeichenfederhalter (keine Marke angegeben)
    • Tusche, schwarz (Pelikan)
    • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No2)

    5. Pointillistische Tuschezeichnung

    Direkt an den Anschluss an die erste Zeichnung habe ich eine zweite mit Tusche angefertigt. Allerdings mit einer vollkommen anderen Technik. Diesmal habe ich die Schattierungen nicht durch Schraffuren entstehen lassen, sondern durch feine Pünktchen, die je nach Dunkelheit der Schattierung enger aneinander lagen oder weiter von einander entfernt waren.

    Das Resultat ist natürlich um Längen interessanter als der schwarze Bruder, hat aber auch insgesamt drei Stunden bis zur Vollendung gebraucht. Und das ohne Hintergrund.

    Vorteile:

    • Sehr interessanter Look.
    • Eine vollkommen andere Herangehensweise, die einen garantiert mental auflockert.
    • Eine sehr meditative Zeichenaufgabe. Zusammen mit ein wenig Ambient-Musik gehen die drei Stunden an einem vorbei wie 10 Minuten.
    • Die Punkte verzeihen einem allerdings sehr leicht Fehler, denn ein Pünktchen an einer falschen Stelle fällt einfach nicht auf. Ein Tintelklecks hingegen kann schon “tödlich” für das Bild sein.

    Nachteile:

    • Sehr zeitaufwändig.
    • Zeichenfehler mit Tusche können nicht einfach wegradiert werden.

    Was man davon lernen kann:
    Wie bereits erwähnt, ist diese Methode sehr meditativ und zeigt einem, wie man Schattierungen mal ganz anders setzen kann. Interessant ist das vor allem an Stellen, die sonst immer Striche “fordern” wie die Haare, Wimpern oder Konturen.

    Equipment:

    • Zeichenfeder (Rheita)
    • Zeichenfederhalter (keine Marke angegeben)
    • Tusche, grün (Ecoline)
    • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No2)

    6. Tusche und Aquarell

    Eine besonders einfache und ausdrucksstarke Technik möchte ich nun vorstellen und das ist einfach nur das Verbinden von zwei vorangegangenen Techniken: Tusche und Aquarell. Mit der Tusche werden dabei einfach nur die notwendigsten Konturen gezeichnet und mit den Aquarellfarben anschließend Schattierungen angebracht. Das Ergebnis ist im schlechtesten Fall interessant und kann im besten eine Stimmung beim Betrachter auslösen, die ihresgleichen sucht.

    Und zeitlich gesehen ist sie ebenfalls unschlagbar. Ohne die Trocknung zwischendrin habe ich bloß 32 Minuten für die Zeichnung gebraucht.

    Vorteile:

    • Sehr interessante Effekte, die das gezielte kreieren bestimmter Stimmungen zulassen.
    • Sehr schnell fertig.
    • Die Schattierungen mit den Aquarellfarben können kaum misslingen, da die Konturen durch die Tusche feststehen.
    • Ein Wort: Spaß.

    Nachteile:

    • Man braucht einerseits Tusche- und Aquarellequipment.

    Was man davon lernen kann:
    In erster Linie kann man hierbei lernen, wie einfach es ist, in nur einer halben Stunde ein kunstvollen Portrait zu erstellen. Natürlich kann es nicht mit der Präzision einer ausgefeilten Kohlzeichnung mitmachen, ist dafür aber durch die Farbspiele, Spritze usw. sehr interessant. Es ist ebenfalls eine willkommene “Übung”, wenn man sich ein wenig lockern will oder einfach nur Spaß haben möchte.

    Equipment:

    • Zeichenfeder (Rheita)
    • Zeichenfederhalter (keine Marke angegeben)
    • Tusche, grün (Ecoline)
    • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No2) (Bitte nicht nachmachen. Aquarellpapier ist sehr viel besser geeignet.)
    • Aquarellfarben (No-Name)
    • Servietten

    7. Kugelschreiber-Zeichnung

    Wer einfach der Kohle oder des Bleistifts überdrüssig ist, greife unverbindlich zu einem handelsüblichen Kuli. Anders als die oben genannten Media muss man zwar Schraffieren, um Schattierungen zu erhalten, andererseits bietet auch ein Kugelschreiber als Zeicheninstrument interessante Effekte.

    Auch dieses Portrait hatte ich nach circa einer Stunde fertig.

    Vorteile:

    • Jeder (JEDER) hat irgendwo zuhause einen Kuli, mit dem er zeichnen kann.
    • Wenig zeitaufwändig.
    • Schnell gelernt.

    Nachteile:

    • Weniger ausdrucksstark als Tusche oder Kohle. Kuli ist sozusagen ein Mittelweg zwischen Bleistift und Tusche.
    • Sehr schlechte Kulis schmieren schnell.

    Was man davon lernen kann:
    Eine flotte Kulizeichnung lockert die Hand und zwingt einen noch einmal dazu, das Schraffieren zu wiederholen, sodass ein besseres Gefühl für Gesichtsformen anschließend garantiert ist.

    Equipment:

    • Kugelschreiber, schwarz (No-Name)
    • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No 2)

    8. Wachsmalfarben, gekratzt

    Zuletzt möchte ich euch noch eine Methode zeigen, die allenfalls interessant ist. Ich habe hierfür meine alten Wachsmaler ausgegraben, die ich bestimmt seit der fünften Klasse nicht mehr angefasst habe. Interessant ist hierbei vor allem, dass man nicht die Tiefen zeichnet, sondern die Höhen. Und so ein wirklich einmaliges Resultat schafft.

    Vorteile:

    • Sehr interessantes Ergebnis, das alles andere als langweilig ist.
    • Riesiger Lerneffekt.
    • Relativ schnell gemacht (ich habe 55 Minten für alles gebraucht).
    • Man darf noch einmal seine alten Wachsmaler benutzen… :-)

    Nachteile:

    • Der erste Arbeitsschritt ist recht anstrengend für die Hand.
    • Beim Kratzen entstehen Wachsfussel.

    Was man davon lernen kann:

    Anders als bei den bisher vorgestellten Methoden, zeichnet man nicht die Tiefen (also die dunklen Stellen des Gesichts (z.B. Pupille im Auge), sondern die Höhen (also das Weiße im Auge). Dadurch bekommt man ein völlig neues Gefühl für das Gesicht und seine Form.

    Equipment:

    • Wachsmaler
    • Zeichenfeder mit Zeichenfederhalter
    • Papier A4 (125 g/m² Gerstaecker No2)