Video-Tutorial: Haare zeichnen

Nach keinem anderem Tutorial wurde ich so oft gefragt wie nach einem, das sich mit dem Zeichnen von Haaren beschäftigt. Also: Hier ist es. Viel Spaß damit.

Haarige Basics

Wenn man Haare zeichnen möchte, sollte man sich zunächst klar darüber sein, dass jedes einzelne Haar ein Faden aus Horn – oder besser noch – aus Hornschuppen besteht. Diese Hornschuppen sind beinahe aus dem selben Material wie z.B. die Fingernägel. Und schau dir deine Fingernägel an: Sie glänzen im Licht (wenn sie in ihrem natürlichen Zustand sind, zumindest). Und wenn du ein einzelnes Haar gegen das Licht hältst, siehst du ebenfalls, dass es glänzt. Nimmst du nun eine ganze Haarsträhne, machst du die gleiche Beobachtung.

Merke dir einfach, dass jedes Haar glänzt und du mit deinem Stift eine Illusion erzeugen musst, die genau diesen Endruck vermittelt.

Natürlich zeichnet man nicht jedes Haar einzeln. Jedenfalls tut das nicht der normale Zeichner. :-)

Deshalb betrachte ich das Haar lieber so ähnlich wie Wasser, da es der Kopfhaut entspringt und eine bestimmte Laufrichtung hat.

Ist dir schon einmal aufgefallen, dass stumpfes Haar auch gleichzeitig schneller in alle Richtungen zeigt? Stumpfes Haar heißt, dass die Haarstruktur krank ist (das kann zum Beispiel vom vielen Färben kommen) und dadurch die Hornschuppen abstehen. Dadurch kann das Licht nicht mehr gut reflektiert werden – der Glanz in den Haaren fehlt. Gleichzeitig sorgen die aufgestellten Hornschuppen dafür, dass sich die Haare untereinander abstoßen, sodass sie wirrer und unordentlicher wirken.

Warum das wichtig ist?

Ganz einfach. Mit deinen Zeichnungen willst du ja auch etwas rüberbringen. Wenn du zum Beispiel eine Venus zeichnest, wird dir viel daran liegen, sie “strahlend” schön zu zeichnen. Ein Kriterium für Schönheit ist Gesundheit und glänzendes Haar ist ein Indiz für Gesundheit.

Willst du anders herum jemanden zeichnen, dem das Leben hart mitgespielt hat, könnte es sich anbieten, das Haar ein wenig stumpfer zu zeichnen, um eine weniger positive Assoziation beim Betrachter auszulösen.

Eine weitere wichtige Sache ist, dass Haare an ihrer Spitze (das heißt nicht ohne Grund so) wesentlich dünner sind als an ihrer Wurzel. Für dich als Künstler bedeutet das, dass deine Striche im Idealfall an den Haarspitzen auch dünner sind als oben an der Kopfhaut, sodass es sich empfiehlt, die Striche von der Kopfhaut aus nach unten zu führen und dort sanft auslaufen zu lassen (aber nicht zu sanft, sonst wirkt das Haar am Ende dünn).

Soviel schonmal zu dem Stoff, aus dem die Haare sind.

Strähnen zeichnen

Wenn du eine Frisur zeichnest, hast du es in den wenigsten Fällen mit einer so genannten Betonfrisur zu tun, bei der jedes Härchen sitzt. Im Gegenteil: bei vielen Portraits machen gerade die Haare, die aus der Reihe tanzen, das ganze Leben der Frisur aus und geben eine zusätzliche Dynamik hinzu.

Betrachte also den Menschen, den du zeichnen möchtest, zunächst genau. Wo sind Strähnen, die am Ende hinausragen? Füge die von Anfang an in deine Skizze ein – so vermeidest du, dass du sie entweder vergisst oder nicht mehr so effektiv herausarbeiten kannst.

Achte bei Strähnen auch darauf, dass sie selbst einen Schatten haben, den sie auf das darunter liegende Haar werden und dass sie einen eigenen Glanz haben, den du herausarbeiten musst.

Schwarzes Haar

Schwarze Haare sind für die einen ein Horror und für die anderen ein Segen. Das liegt daran, dass es super-leicht zu zeichnen ist, wenn man es erst einmal begriffen hat.

Das Besondere an schwarzen Haaren ist, dass sie einen besonders hohen Kontrast brauchen, um naturalistisch zu wirken – also ein besonders hohes Gefälle zwischen schwarz und weiß. Auf den ersten Blick wirkt es so, als würde kein Haar so sehr glänzen wie schwarzes – tatsächlich ist es so, dass die Glanzpunkte des Haars gleichhell sind, egal ob blond, rot oder braun. Aber bei schwarzem Haar ist der Kontrast so hoch, wodurch es intensiver wirkt.

Achte daher bei schwarzem Haar darauf, die Glanzpunkte großzügig vorher einzuzeichnen, damit du die Haarstruktur und feiner nuancieren kannst.

Blondes Haar

Auch blondes Haar bietet sich hervorragend zum Üben an, da es am kontrastärmsten ist und die wenigsten Striche benötigt, um gut zu wirken.

Allerdings muss man beachten, dass man einerseits nicht zu viele (oder zu dicke) dunkle Striche macht, denn dann wirkt das Haar schnell eher haselnussfarben – oder schlimmer. Andererseits darf man nicht vergessen, dass auch blonde Haare Schatten werfen. Schattige Stellen dürfen (oder besser: müssen) daher auch mit einem entsprechenden Tonwert schattiert werden.

Braunes Haar

Ich persönlich halte es für die fordernste Aufgabe, einen schönen Braunton mit Bleistift oder Kohle darzustellen – zu schnell landet man in zu hellen oder zu dunklen Gefilden.

Meiner Meinung nach hilft hier in erster Linie üben, üben, üben – und Photoshop (oder Gimp, Paint.net, usw.). Ein Bildbearbeitungsprogramm, bei dem du dein Vorlagefoto schwarz-weiß färben kannst, kann wahre Wunder bewirken, wenn es darum geht, welchen Grauton man wählen soll.

Glattes Haar

Anfänger sollten sich zunächst an glattes Haar halten, weil das nicht so viele Spierenzchen macht wie gewelltes oder gar lockiges Haar. Das Schöne an glatten Haaren ist, dass die “Fließrichtung” (ich nenne das mal einfach so) vollkommen klar ist und nicht viel Überlegung braucht.

Achte bei glattem Haar einfach darauf, wie es um den Kopf fließt, wo Strähnchen überstehen und wo die Glanzpunkte sind. Dann ist alles gar kein Problem.

Gewelltes Haar

Mir persönlich macht das Zeichnen gewellter Haare den meisten Spaß, weil man da so richtig schön seiner Hand freien Lauf lassen kann und Leben auf das Blatt Papier bringen kann. Essentiell bei Haaren “mit Natur” ist, dass man Strähnen schon vorher herausarbeitet und anschließend den Lauf der darunter liegenden Haare vorgibt.

Lockiges Haar

Na, wer stellt sich der Herausforderung? Einfach Kringel und Spiralen zeichnen geht hier nämlich nicht so einfach.

Lockiges Haar sollte im Idealfall schon in der Skizze herausgearbeitet worden sein, so spart man sich eine Menge Frust und Radiererei – achte genau darauf, wo eine Locke die andere verdeckt und in welche Richtung sich das Haar lockt. Das ist anstrengend, ja, aber meistens lohnt es sich.

Kurzes Haar

Herrenfrisuren sollen natürlich auch nicht zu kurz kommen, vor allem deshalb, weil viele Fragen sich um das Thema ranken.

Zuallererst muss ich sagen, dass das Hauptproblem kurzer Haare darin liegt, dass sie zu selten gezeichnet werden. Aber ist ja auch klar: Wer Haare zeichnen lernen möchte, greift zuerst zu hübschen Models mit Trendfrisuren und nicht zu Fotos vom Papa oder Onkel. ;-)

Kurze Haare sind deshalb sehr interessant zu zeichnen, weil sie einen vollkommen andere Weg einschlagen als lange Haare. Weil es ihnen an Gewicht fehlt, liegen sie nicht brav an der Kopfhaut an, sondern stehen ab und münden somit eher in vielen kleinen Strichen als in einer Gesamtfrisur.

Pass auch auf, dass du den Haaransatz an der Stirn nicht zu radikal gestaltest. Sei lieber erst einmal vorsichtig und strichle vorsichtig, bis zu dir sicher bist, das Richtige zu tun. Achte dabei auch darauf, dass man in den ersten paar Haarreihen (ca. 1cm der realen Frisur) noch Kopfhaut sichtbar ist, sonst wirken die Haare mehr wie eine Perücke.

Eine weitere wichtige Sache, die oft vergessen wird ist, dass auch kurze Haare Licht reflektieren. Da sie aber nicht so schön brav anliegen wie lange Haare, in denen man dann leicht die Glanzpunkte herausarbeiten kann, sollte man mit dem Knetradiergummi einfach die entsprechenden Areale heller tupfen – aber bloß nicht so hell, dass die Haarstruktur verloren geht, das sieht dann so aus, als hätte der arme Kerl eine Glatze.

Glatzen und Geheimratsecken

Mach dir bei solchen Fällen bloß keinen Stress – die sind einfacher zu zeichnen als man denkt. Du muss eigentlich nur die freiliegende Haut gestalten, wie du es sonst auch schon vom Portraitieren kennst und die Haare, die in karger Anzahl vorkommen weniger dicht zeichnen, sodass die Kopfhaut darunter noch teilweise sichtbar ist.

Stellen jedoch, die noch nicht vom Haarausfall betroffen sind, dürfen natürlich nicht dünner als sonst gezeichnet werden, sonst kann es vorkommen, dass der Portraitierte wie ein Krebspatient erscheint.

Gegeltes Haar

Tauchen wir ab in die Herren-Stilingwelt.

Gel erzeugt einen strähnigen Nass-Look und formt die Haare zu festen glänzenden Strähnen, die unnatürlich vom Kopf abstehen.

Eigentlich gar kein Problem, das zu zeichnen. Man muss nur beachten, dass man die Strähnen ordentlich bündelt und in sachgerechte harte Spitzen auslaufen lässt und diese Strähnen – je nachdem wie dick sie sind, noch einzeln schattiert, damit der Wet-Look des Gels schön herauskommt.

Bärte und sonstige Haare

Haare von typischen Männerbärten sind ca. dreimal so dick wie normales Kopfhaar. Das gilt übrigens auch für Schamhaare. Dass die Haare dicker sind, bedeutet für uns Zeichner, dass wir die Haare mit einem dickeren Strich gestalten müssen und andererseits sie noch störrischer darstellen müssen als kurzes Kopfhaar. Auch sind Bart- und Schamhaare nicht so zahlreich wie unsere Kopfhaare. Das hat zur Folge, dass oftmals sogar noch dir Haut darunter sichtbar ist. Bei Vollbärten ist das allerdings nicht mehr so.

Ich hoffe, ich konnte euch allen weiterhelfen. Über konstruktive Kritik und Vorschläge für neue Tutorials freue ich mich natürlich sehr! :-)

Ps: Die Bilder, die ich in diesem Tutorial gezeichnet habe, kannst du dir auch noch in höherer Auflösung anschauen.