Völker der Erde zeichnen

Schon einige meiner Youtube-Freunde haben mich nun gebeten, auch mal ein Tutorial zu zeige, das Menschen nicht-kaukasischer Abstammung zeigt. Das war so ziemlich der Moment, in dem mir aufgefallen ist, dass tatsächlich die meisten meiner Motive weiße Menschen zeigten.

Naja, so habe ich mich dann daran begeben, zwei neue Portraits zu zeichnen und gleichzeitig aufzunehmen, die veranschaulichen können, wie man andere Völker der Erde als uns Westeuropäer zeichnet.

Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch

In einem vorangegangenen Tutorial habe ich erklärt, wie man Gesichter mit Hilfe einiger Hilfslinien zeichnen kann. Natürlich treffen diese Hilfslinien auch jeden anderen Menschen zu und nicht nur auf Weißhäute. Der Knackpunkt bei anderen Ethnizitäten ist einfach, dass sie als Gruppe anders erscheinen und daher auch andere Zeichenvorgaben zu fordern scheinen. Dem ist aber nicht so!

Auch innerhalb von nicht weißen ethnischen Gruppen gelten die selben Vorgaben.

Also: Ei zeichnen, das ganze horizontal und vertikal halbieren, auf der horizontalen Mittellinie die Augen einzeichnen usw.

Alles weitere klärt sich dann bei genauerer Beobachtung. Die Form der Augen (die bei asiatischen Völkern mandelförmiger sind), die Fülle der Lippen (die bei afrikanischen Völkern voller sind) und die Schattierung der Haut (die bei jeder “Rasse”) anders ist.

Am Ende hat man es halt doch mit einem Individuum zu tun und darf gar nichts über einen Kamm scheren! Die Individualität geht sonst verloren und man zeichnet kein Portrait von einem Menschen sondern einen langweiligen Stereotyp.

Tipps zum Zeichnen anderer Erdbewohnern

Wenn ihr glaubt, beim Zeichnen Probleme mit Asiaten, Mexikanern oder wem auch immer zu haben, rate ich euch dringend, mindestens ein Portrait der Art mit einem Raster zu zeichnen. In meinem Portrait zeichnen Tutorial zeige ich, wie es geht.

Durch die Arbeit mit dem Raster lernt ihr, die Gesichtszüge des Menschen gezielt wahrzunehmen und nicht über- oder unterzuproportionieren.

Eine weitere große Hilfe kann eine Bildbearbeitungsprogramm für den Computer sein. Photoshop (kostenpflichtig) und Gimp (free!) helfen nicht nur durch ihre Gitter-Funktion (Hilfe –> Raster/Gitter einschalten), sondern auch durch schwarzweiß-Effekte, die man mit einem Klick anschalten kann, sodass Kontraste und entsprechende Graugradienten eher auffallen.

Am wichtigsten ist einfach immer das Beobachten. Raster und Computerprogramme helfen dabei.

Ein Wort zur Hautfarbe

Bei der Hautfarbe sollte man besonders viel Aufmerksamkeit auf die Findung des richtigen Grautons verwenden. Genauso wichtig ist, dass man ein Gefühl für den Kontrast hat.

So ist afrikanische Haut zwar insgesamt dunkler. Das heißt aber nicht, dass man einfach nur mit dem 8B Bleistift über das Papier fährt und stumpf alles schwarz malt. Im Gegenteil: Egal aus welchen Regionen der Afrikaner kommt, seine Haut ist niemals völlig schwarz. Und die Lichtreflexe, die sich auf Stirn Wangenknochen, Nase und Kinn zeigen, bilden einen hohen Kontrast zu den Arealen, die im Schatten liegen. Während es bei Weißhäuten eher darauf ankommt, eine gelungene Ausarbeitung der Gesichtszüge mit Hellgrau und Weiß zu finden, ist es bei dunkelhäutigen Personen eher Dunkelgrau und Weiß.

Die Mischtechnik

In dem Video zeige ich zum ersten Mal eine Mischtechnik, die ich mir über die Jahre angeeignet habe. Während ich das Mädchen aus Bhutan mit der gewohnten Kohle-Wisch-Technik zeichne, verwende ich bei dem afrikanischen Mann Kohle und Graphit auf einem Blatt Papier (ja, das ist normalerweise ein No-Go!).

Diese Technik ist deshalb so genial, weil sie die Präzision, die den Bleistiftzeichnungen zu Eigen ist mit der Intensität und Lebhaftigkeit von Kohle vereint, sodass ein absolut lebensechtes Ergebnis folgt.

Wenn ihr diese Technik zuhause ausprobieren möchtet, solltet ihr ein paar Dinge beachten. Ein ausführliches Tutorial zu diesem Thema wird natürlich noch kommen. Ich weiß bloß noch nicht, wann. ;-)

  • Kohle muss immer zuerst aufgetragen werden. Graphit hat einen glatte Oberfläche, auf der die Kohle nicht haften kann. Anders herum kann Graphit sehr leicht an der porösen Kohle hängen bleiben.
  • Wenn eine Stelle mit Graphit gezeichnet werden soll, fängt man im Idealfall mit dem härtesten Bleistift an und überlagert ihn nach und nach mit den weicheren Versionen. Auf diese Weise wird das Papier nach und nach verschlossen und geglättet. Die Haut, die auf diese Weise schattiert wird, wirkt super glatt und natürlich.
  • Fensterleder und Papierwischer bleiben weiterhin meine besten Freunde und leisten mit ausgezeichnete Hilfe beim Glätten der aufgetragenen Pigmente.
  • Ein Knetradiergummi ist absolut unentbehrlich. Wie sonst könnte ich so schöne Reflexe in die Augen kneten oder Wangenknochen ins rechte Licht rücken.

Ich hoffe, ihr konntet etwas aus diesem Tutorial lernen, auch wenn meine Stimme ein wenig kritischer war als sonst. Aber es ist nun einmal so, dass unter jedem menschlichen Gesicht ein ziemlich ähnlicher Schädel liegt, der es den Proportionen gar nicht erlauben würde, großartig zu verrutschen. ;-)