Zeichen-Tutorial: Mädchen in Dreiviertelansicht (Kohle)

Dies ist das Tutorial, das ich zu dem Auftragsbild Mädchen mit Strickmütze angefertigt habe. Wie auch in den anderen Tutorials werde ich mir hier alle Mühe geben, dich gut durch meine Zeichenweise zu leiten und alles so Verständlich wie möglich zu gestalten.

Meine Materialliste:

  • Raues Papier in A3 (Gerstaecker No. 5)
  • Schwarzkreidemine (B) von Cretacolor in Minenhalter Hardtmuth von Koh-I-Noor
  • Graphitmine (HB) von Koh-I-Noor in Minenhalter Hardtmuth von Koh-I-Noor
  • Weißer silikonfreier Radiergummi von Pelikan
  • Knetradierer von Cretacolor
  • Radierstift “Perfection” con Pelikan
  • Papierwischer (Gerstaecker) No.1 und No.3
  • Fensterleder (DM Hausmarke)

Mehr Informationen zum Zeichen-Equipment.

Die Skizze

Ich habe in meiner bisherigen Zeichenkarriere die Erfahrung gemacht, dass eine gute Skizze alles ist. Aus genau diesem Grund nehme ich es damit auch immer sehr genau und zeichne so lange mit Bleistift, bis auch jede Linie sitzt – ein späteres Ausgleichen gibt es nur noch in Notfällen.

Wie man sehen kann, lege ich zu allererst die groben Züge des Kopfes fest. Erst muss der Rahmen da sein, bevor man “Details” wie Auge und Mund hereinzeichnet. Viele Zeichenanfänger tendieren dazu, mit einem Auge anzufangen und sich so weiterzutasten. Das ist in vielen Fällen sehr subobtimal, weil so die Augen des Zeichners keine “Schranken” haben, an denen sie sich orientieren können. Falsche Proportionen innerhalb des Gesichtes sind daher schon von Anfang an vorprogrammiert.

Sobald die äußeren Konturen stehen, kann ich zu den Binnenkonturen (den inneren Konturen) des Gesichts vordringen und Augen, Mund sowie alles andere Wichtige einzuzeichnen. Auch, wenn es im Video nicht so aussieht, weil es mit 40-facher Geschwindigkeit abgespielt wird, kannst du dir sicher sein, dass ich mir richtig viel Zeit für die Skizze gelassen habe.

Die Augen

Genaueres zum Thema Augen kannst du in meinem Tutorial speziell über Augen lernen, hier werde ich nur Besonderheiten erläutern.

Dieses Mädchen hat hellblaue Augen. Das bedeutet, dass ich die Iris besonders kontrastreich und “tief” gestalten musste, weil aus Augen wie diesen physikalisch das meiste Licht wieder herausfällt.
Auch musste ich darauf achten, es nicht mit ihren Wimpern zu übertreiben, denn das hat oft den Effekt, dass jemand älter erscheint, als er wirklich ist. Das wollte ich hier natürlich um jeden Preis verhindern, denn sie ist ja noch eine Teenagerin.

Auch auf die Augenbrauen musste ich achten, denn zu dunkle Augenbrauen hätten künstlich ausgesehen und nicht zu ihrem kaukasischen Typ gepasst.

Die Nase

Auch die Nase war eine kleine Herausforderung, denn eine zu stark schattierte Nase erscheint nur den wenigsten Leuten als charaktervoll – hässlich ist in dem Fall dann das am häufigsten gewählte Wort (vor allem von den Portraitierten natürlich). Daher: sachte mit der Kohle, alles schon weichzeichnen und sorgfältig die Übergänge gestalten. Auch zu starke Lichtpunkte auf dem Nasenrücken lassen diesen länger und höher erscheinen als er sollte, weswegen ich das maximale Weiß lediglich an der Nasenspitze umgesetzt habe.

Der Mund

Bei dem Mund gilt hier das Gleiche wie bei den Augen: Bloß nicht zu dick auftragen. Da die Portraitierte ja noch jung ist, soll es nicht so aussehen, als trüge sie Lippenstift. Und dass die natürliche Lippenform beibehalten wird (und nicht etwa ein Angelina-Jolie-mäßiger Schmollmund gezaubert wird), ist selbstverständlich.

Die Zähne gilt es immer naturgetreu nachzubilden – aber bloß nicht zu stark. Sobald man die Zähne mit mehr als einem ganz sanften Strich voneinander abgrenzt, sieht es so aus, als hätte die Person riesige Zahnlücken. Also immer schön vorsichtig… ;-)

Wichtig ist allerdings, dass die hinteren Zähne einen leichten Schatten bekommen, damit die Zahnreihe insgesamt nicht plastikweiß wirkt.

Die Haut

Inzwischen bin ich fast vollständig davon weg, die Haut mit dem Kohlestift vorzuschattieren, wenn es nicht gerade Binnenkonturen sind. Stattdessen nehme ich mein wunderbar kohledreckiges Fensterleder und modelliere damit die Höhen und Tiefen des Gesichts. Ich habe sogar noch ein relativ sauberes Stück Fensterleder, das extra für die lichten Stellen des Gesichts da ist.

Wenn ich eine besonders helle Region brauche (z.B. Nasenspitze oder zwischen den Augenbrauhen), wird die mit dem Knetradiergummi hellgetupft und dann sorgfältig mit dem sauberen Fensterleder schattiert, sodass die Übergänge weich sind.

Die Strickmütze

Da die Strickmütze auf der Fotovorlage wollweiß war und nicht so dunkel wie auf meinem Portrait, habe ich zunächst mit ihr gekämpft, um sie auch hell darzustellen. Nach einer Weile habe ich jedoch eingesehen, dass sie dunkel sein muss.

Größtenteils ging es hierbei darum, die leicht raue Struktur des Strickmusters nachzuahmen und die einzelnen Fäden der Mütze vereinfacht darzustellen.

Richtig erklären kann ich diesen Part nicht, denn es war mehr ein Gefühl, das mich dadurch geleitet hat. Was ich sagen kann, ist, dass ich so gut wie gar nicht (für meine Verhältnisse jedenfalls) schattiert und raue Kohlestriche das Bild dominieren lassen habe.

Die Haare

Bei den Haaren gebe ich zunächst die “Laufrichtung” mit dem Kohlestift vor und ahme diese Striche dann mit den Papierwischern nach, dadurch kommen mehr Linien zustande und die Kohlestriche verlieren ihre Härte. Anschließend wird der entsprechende Haarabschnitt mit dem Ledertuch bearbeitet und strichartig die Höhen mit dem Knetradierer oder alternativ mit dem Radierstift herausgearbeitet. So erscheinen die Haarsträhnen schön plastisch und lebendig. Bei blondem Haar wie hier, ist es sehr wichtig, trotzdem Kontraste zu setzen, weil das Haar ansonsten stumpf und leblos wirkt.

Das Shirt

Das Shirt war meine Krux. Hier habe ich mich grenzenlos überschätzt und gedacht: Das schüttel ich mir mal eben aus der Hand. Dass dann im Endeffekt beinahe alle Linien falsch saßen, war dann mein Lehrgeld. In Zukunft werde ich wohl solche scheinbaren Kleinigkeiten auch in meine Skizze einbeziehen müssen.

Bei dem Zeichnen von Kleidung ist es immer wichtig, auch die Falten mitzuzeichnen und diese gebührend zu schattieren. Die Lichten Stellen des Shirts gilt es dabei besonders zu betonen, damit das Kleidungsstück real wirkt.

Der Hintergrund

Tja, bei dem Hintergrund war ich zunächst ratlos, weil ich keine konkrete Vorstellung davon hatte, wie er sein sollte. Künstlerisch sollte er erscheinen, aber gleichzeitig durfte das Bild nicht in den Hintergrund geraten. Zum Glück hat man ja Freunde, die einem weiterhelfen – und so wurde ich zu Linien inspiriert.

Da ich diese strahlenförmig anordnen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als diese ordentlichst vorzuzeichnen, damit alles am Ende schön sauber aussieht.

Vielen Dank für das hoffentlich aufmerksame Lesen. Ratschläge, Lob und gutgemeinte Kritik wird gerne in den Kommentaren in Empfang genommen… :-)

PS: Hier findest du das Bild in voller Auflösung.