Zeichen-Tutorial: Glas zeichnen (für Fortgeschrittene)

Nachdem die letzten beiden Tutorials ja in eine ganz andere Richtung gingen, gibt es diesmal wieder etwas für Zeichenfans. Damit es auch nicht zu langweilig über die langen Winterabende wird, habe ich ein recht anspruchsvolles Thema herausgesucht: Das Zeichnen von Glas.

Und warum ist Glas so anspruchsvoll?

Dass Glas erfahrene und unerfahrene Zeichner regelmäßig in den Wahnsinn treibt, hat vor allem drei Gründe:

  • Glas ist durchsichtig. Dadurch scheint bei ungetöntem Glas der Hintergrund vollständig durch. Das wäre nicht so schlimm, wenn es denn nicht den Hintergrund auch verzerren würde. Das ist nicht nur bei gewölbten Glasobjekten wie im Video so, sondern auch bei vollkommen glatten Glasscheiben. Nur ist dort die Hintergrund-Verzerrung nicht enorm.
  • Glas hat eine sehr glatte Oberfläche. Wenn man also nur raues Papier und Zeichenkohle zur Hand hat, stößt man schnell an seine Grenzen.
  • Glas reflektiert Licht sehr stark. Das bedeutet, dass ein hohes Kontrastverhältnis besteht, obwohl das Glas doch eher “hell” wirkt.
  • Und wie löst man diese Probleme?

    Vor allem für Zeichenanfänger, die noch nicht so sehr gewohnt sind, zu zeichnen, was sie sehen, sondern eher zeichnen, was sie glauben zu sehen, ist Glas durchaus problematisch. Denn oft zeichnen sie ein Glas einfach als Umriss, der innen hell bleibt. Reflexionen etc. werden einfach nicht berücksichtigt.

  • Durchsichtigkeit: Das Problem der Durchsichtigkeit von Glas löst man am besten durch sorgfältiges und geduldiges Hinschauen. Also: viel Zeit nehmen, zunächst eindeutige Punkte (zum Beispiel die stärkste Reflexion oder einen schwarzen Balken im Hintergrund) heraussuchen und diese zuerst zeichnen. Anschließend kann man dazu übergehen, weniger signifikante Teile des Hintergrunds zu zeichnen. Zu beachten ist dabei vor allem, das Glas alles, was hinter ihm liegt, verzerrt, sodass der durch das Glas erscheinende Hintergrund nicht seine normale Form hat und andererseits leicht unscharf ist.
  • Glatte Oberfläche: Der glatten Oberfläche des Glases kann man wunderbar entgegenkommen, indem man das richtige Papier wählt. Glattes Papier ohne eine große Körnung ist dafür besonders geeignet. Wenn du zu Hause nur stark gekörntes Papier hast, kannst du es glätten – also die “Zahnung” des Papiers platt machen, indem du beispielsweise eine Glasflasche sorgfältig darüber rollst. Glas lässt sich deshalb nicht so gut auf groben Papier darstellen, weil bei hoher Zahnung der Abrieb des Stiftes unregelmäßiger ist und somit eine Struktur entsteht, die das Glas nicht glatt sondern körnig aussehen lassen.
  • Die Reflexionen: Durch seine glatte Oberfläche lässt das Glas nicht nur einen Teil des Lichtes durch, sondern wirft es auch zurück, sodass sehr helle Glanzpunkte entstehen. Gleichzeitig hat ein Glas aber auch durchaus Stellen, an denen es sehr dunkel ist (beispielsweise bei einem dunklen Hintergrund oder am Boden des Glases). Hier gilt eigentlich das gleiche wie im ersten Punkt: Genau hinsehen und sich Zeit für Details nehmen.

    Die Mischtechnik

    Anders als sonst habe ich in diesem Bild Kohle und Graphitstifte miteinander gemischt, sodass ich von beiden Medien das Beste einstecken konnte.

    Denn mit Kohle kann man unvergleichlich schwarze Striche und Flächen kreieren und mit Graphit kann man sehr präzise sein, sodass selbst kleinste Verzerrungen etc. wiedergegeben werden. Außerdem bringt Graphit einen weiteren tollen Vorteil mit: wenn man eine leichte Schicht davon über dunkle Flächen legt (z.B. eine dunkle Stelle auf dem Glas), glänzt diese Fläche leicht, sodass die glatte, leicht reflektierende Textur des Glases besonders herauskommt.

    Wichtig bei der Mischtechnik ist, dass man immer zuerst die Kohle aufbringt. Denn Kohle haftet nicht an Graphit, Graphit jedoch sehr wohl an Kohle. Wenn man also einfach zuerst eine Fläche mit Graphit belegt und danach mit dem Kohlestift darüber geht, wird man feststellen, dass einmal pusten genügt, um den Großteil der Kohle wieder zu entfernen.

    So, ich kann es nicht oft genug sagen: das Wichtigste beim Zeichnen von Glas ist deine Beobachtungsgabe. Je sorgfältiger du hinschaust, desto eher bist du in der Lage die filigranen Reflexionen etc. wahrzunehmen und letztendlich zu zeichnen.

    PS: Das Bild in voller Auflösung gibt es hier: Das Dezibel-Glas.