Zeichen-Tutorial: Den Mund zeichnen (für Anfänger)

Neben meinem ersten Tutorial für Anfänger zum Thema Auge zeichnen lernen, ist auch dieses zum Thema Mund entstanden.

Während das Interesse noch auf Hochtouren läuft, solange es um Augen geht, verabschiedet es sich getrost bei den anderen Gesichtsbestandteilen, weil sie weniger Aussagekräftig als “die Spiegel zur Seele” erscheinen. Das mag auf den ersten Blick zwar war sein. Aber kein Portrait ist gut, wenn nur die Augen toll aussehen. Das Gesicht ist sehr viel komplexer als das muss auch als solches zusammenspielen. Außerdem kann man mit dem Mund allerhand tolle Sachen machen. Nicht nur als Künstler…

Einleitung

Denke immer daran: Wenn du einen Mund zeichnest, zeichnest du nicht einfach nur die Lippen oder die Zähne, sondern ein Körperteil des Gesichts, das mit anderen Partien verbunden ist, aus Schichten aus Knochen und Muskeln aufgebaut ist und dadurch auch seine bestimmte Form erhält.

So hat jemand, der keine Zähne mehr hat, eine andere Lippenführung als jemand, der vielleicht sogar hasenartig große Zähne hat, die kaum unter den Lippen zu verbergen sind.

Das gleiche gilt für faltige oder besonders gut bemuskelte Gesichter, sowie herausragend geformte Schädelknochen.

Die Lippen einfach “auf” das Gesicht aufzusetzen, ohne den restlichen Hautverlauf etc. zu beachten, ist also tabu. ;-)

Beachte auch, dass die Lippen von einer Vielzahl von Muskeln bewegt werden können und daher äußerst flexibel sind, sodass eine große Varietät von Emotionen vom Mund ausgehen können. Keine andere Bereich unserer Haut, ist von einer so dünnen Schicht Haut überzogen. Diese dünne Hautschicht ist biologisch gesehen dafür da, Essen genau abzutasten und “gut” von “schlecht” zu unterscheiden. Dadurch, dass die Hautschicht so dünn ist, sind die darunter liegenden Blutgefäße leichter sichtbar, wodurch die Lippen ihren roten Farbton erhalten.

Daher sollten normale, gut durchblutete Lippen immer dunkler schattiert werden als die darum herum liegende Haut.

Die Grundform der Lippen

Um einen stilisierten Mund zu zeichnen, braucht es drei Striche. Den Oberlippenstrich, mit seiner geschwungenen Eindellung des Amorbogens, den mittleren Strich, der Ober- und Unterlippe voneinander trennt und der Unterlippenstrich, der wie ein Bogen nach unten zeigt. Die Unterlippe ist fast ausnahmslos immer größer als die Oberlippe, auch wenn du Angelina Jolie oder die Frau mit den Schlauchbootlippen zeichnen möchtest.

Wenn du dich zunächst orientieren willst, solltest du natürlich alle drei Linien ziehen. Sei dabei aber insbesondere mit dem Oberlippenstrich vorsichtig, der darf nicht zu stark werden sollte bequem wegradierbar sein. Ziehst du doch alle drei Striche mit der gleichen Stärke, wirken die Lippen comichaft unnatürlich.

Von der Seite betrachtet (also im Profil) sehen Mund und Lippen natürlich komplett anders aus. Hier wird der Mund viel mehr von seinem leicht schräg abfallenden Mundwinkel bestimmt, der keinesfalls einfach horizontal gezogen werden darf. Das sieht einfach nur unnatürlich aus, auch wenn man den Eindruck hat, dass Menschen mit einem abfallenden Mundwinkel schlechter gelaunt wären.

Wie man einen Mund schattiert

Zunächst einmal zeichnet man natürlich brav die Skizze und achtet darauf, dass die Lippenkonturen bloß nicht zu stark ausfallen. Jeder Strich sollte leicht wieder wegradierbar sein. Ein HB Bleistift eignet sich daher besonders gut zum Vorzeichnen.

Soll der Mensch, den du zeichnest, besonders attraktiv aussehen, kannst du ein wenig (!) mit der Wirklichkeit übertreiben und eine schöne, volle und gut gerundete Unterlippe zeichnen. Das wirkt übrigens auch an Männern sexy. Hat dein Zeichenobjekt allerdings schon volle Lippen, kann noch mehr Volumen künstlich wirken, es heißt also, eine gute Balance zu finden.

Sobald deine Skizze sicher steht, kannst du die Linien wieder sanft entfernen, sodass sie nur noch erahnbar sind und mit der Schattierung beginnen. Ich benutze dafür meinen Knetradiergummi, weil der das Papier nicht schädigt und einfach nur das Graphit aufnimmt.

Mit meinem Kohlestift ziehe ich zuerst die mittlere Linie des Mundes, weil diese eine der dunkelsten Stellen ist. Ich achte dabei darauf, dass diese Linie nicht einfach nur gerade ist, sondern eine leicht Schwingung aufweißt.

Auch die untere Lippenlinie wird leicht in der Mitte angedeutet, in Richtung Mundwinkel jedoch bringe ich keine Kohle an, hier ist die Lippenfarbe von beinahe dem gleichen Tonwert wie die umliegende Haut.

Die Lippenhaut ist wie schon erwähnt besonders dünn. Das führt zu kleinen Fältchen auf Unter- und Oberlippe, die sanft die Rundung der Lippen anzeigen. Um diese Fältchen zu zeichnen, ziehe ich vorsichtig feine Linien von der Mundmitte aus nach oben oder unten. Diese ziehe ich ebenso vorsichtig mit meinem Papierwischer nach und füge gegebenenfalls auch noch weitere Fältchen hinzu. Durch diese Fältchen wird es ganz und gar überflüssig, eine obere Lippenlinie zu ziehen, man sieht ja auch so schon den Verlauf der Lippen.

Die obere Lippe ist wesentlich dunkler im Bereich der Mundspalte und wird kontinuierlich heller, je weiter es nach oben geht. Die Unterlippe hingegen ist ebenso dunkel in der Nähe der Mundspalte, hat aber ihren hellsten Bereich knapp über ihrer Mitte und wird weiter unten wieder dunkler. Achte daher darauf, diesen mittleren Bereich der Unterlippe nicht zu stark mit Kohle zu belegen und gegebenenfalls mit dem Knetradiergummie freizutupfen.

Mit dem Papierwischer verwische ich auch direkt die Kohle an der Mitte der Unterlippe, weil so der charakteristische Schatten entsteht, der unter den Lippen liegt.

Sobald du recht zufrieden mit dem Ergebnis bist, kannst du dich daran machen, noch ein paar Highlights mit dem Kneteadiergummie herauszuarbeiten. Die Oberlippenlinie zum Beispiel kannst du so hervorheben oder ein paar Fältchen besonders betonen. Auch die Einkerbung unterhalb der Nase will fachgerecht schattiert werden. Hier musst du vor allem darauf achtem, aus welcher Richtung das Licht kommt.

Anschließend kümmert man sich um die Haut außenrum und hat einen tollen Mund gezeichnet, mit dem man andere neidisch machen kann. ;-)